Urlaub und ein Erbe
1. Der Schlüssel
Endlich Urlaub! Sie hatte sich schon so lange darauf gefreut! Nun saß sie im Flugzeug und flog nach Kanaleilanden. Eigentlich hatte sie ja mehr in die Sonne gewollt, aber dann hatte sie einen Brief von einem Anwalt aus Großbritannien bekommen, in dem ein Schreiben und ein Schlüssel war.
In dem Brief stand, dass sie von einer ihre unbekannte Großtante ein kleines Cottage geerbt hatte und sie innerhalb des nächsten Vierteljahres entscheiden musste, ob sie das Erbe annehmen würde. Der Schlüssel zum Cottage läge anbei, die Adresse stand dort auch.
Zunächst hatte sie an einen Scherz geglaubt, und erst einmal ihre Mutter nach dieser Großtante gefragt. Sie gab es wirklich und sie lebte zunächst in England und später auf den Kanalinseln. Soweit ihre Mutter wusste, war die Großtante kinderlos gewesen. Also hatte sie den Anwalt angerufen. Auch er konnte ihr glaubhaft versichern, dass es die Großtante und das Cottage gab.
Spontan hatte sie sich also umentschieden und beschlossen, ihren Urlaub in Guernsey zu verbringen. Nach der Landung mussten sie noch ein wenig warten, bis sie alle aus dem Flugzeug steigen konnten. Sie nahm ihr Handgepäck und ging die Gangway runter. Dort unten stand ein freundlich aussehender Herr in Uniform, der ihnen allen mit seinem Hut zu winkte, sie auf den Kanalinseln willkommen hieß und ihnen den Weg zum Flughafengebäude zeigte. Sehr nett und höflich die Menschen hier auf jeden Fall.
2. Überfahrt
Als sie den älteren Herren am Informationsschalter des Inselnahverkehrs nach der besten Buslinie zum Cottage fragte, lachte er freundlich. “Entschuldigung, aber unsere Fahrzeuge können nicht schwimmen, wissen Sie?”
Dann erklärte er ihr, dass sich die vorgelegte Adresse gar nicht auf der Hauptinsel befände und sie nach St. Peter Port fahren und von dort mit einem Boot die drei Meilen nach Herm übersetzen solle.
“Postalisch Guernsey, sogar St. Peter Port natürlich, aber doch eine eigene Insel, nicht wahr?”
Auf der Überfahrt mit der kleinen Inselfähre war außer der Mannschaft und einem Sack Post nur noch ein weiterer Passagier an Bord.
Mit einem Fernglas schaute er unentwegt in Richtung Insel, so als suche er nach etwas.
“Monolithen, ja, aber vielleicht dort..?”
Er drehte sich um und stieß dabei fast mit der Mitpassagierin zusammen. Als er ihr ins Gesicht sah, schien er ganz plötzlich zu erschrecken.
“Das ist unmöglich, aber Sie sehen ihr so unglaublich ähnlich! Aber nein, es ist bestimmt unmöglich.”
Nachdem die Fähre angelegt hatte, verabschiedete sich der Fremde fast so, als würden sie sich schon länger kennen.
“Wenn Ihnen langweilig ist, kommen Sie bei mir vorbei. Vielleicht glauben Sie ja auch an diese Pyramide, die sich hier irgendwo befinden muss.”
Dann verbeugte er sich und ging in Richtung eines Hotels am Hafen.
Der Kapitän kam näher. “Ach das ist George, ein etwas verrückter Forscher, der immer wieder hierherkommt, weil er irgendwas beweisen will. Ägypter…” Er lachte laut (und etwas verächtlich) auf.
3. Die Wölfe heulen
Endlich am Cottage angekommen ist sie sehr überrascht. Irgendwie hatte sie mit einem heruntergekommenen Hause oder eher einer Hütte gerechnet. Das hier sieht aber richtig gemütlich aus! Und ganz schön groß. Etwas abgelegen und ziemlich einsam, aber sehr hübsch. Fast könnte es ein B&B sein. Und das sollte jetzt alles ihr gehören? Eigentlich fast zu schön, um wahr zu sein. Wo war nur der Haken. Sie schloss die Tür auf und betrat das Haus und schaute ich erst einmal um. Sogar mit Kamin und sehr geschmackvoll eingerichtet. Sie machte erst einmal eine Bestandsaufnahme, was sie alles noch besorgen musste und öffnete die Tür, die vom Wohnzimmer aus in den hinter dem Haus liegenden Garten ging.
Noch eine positive Überraschung! Das Cottage lag am Wasser! Sie konnte ihr Glück kaum glauben. Als sie gerade verträumt auf das Wasser schaut, ruft ihr jemand zu. Sie schaut genauer. Da ist ein Paddler, der ihr freundlich zuwinkt. Was das etwas George? Wenn ja, war es Zufall, oder hatte er nach ihr gesucht.
Egal! Jetzt erst einmal einkaufen. Praktischerweise stand auch ein alter Mini neben dem Haus und die Schlüssel hatte sie auch schon gefunden. Wieder zurück, machte sie es sich bequem, genoss ein leichtes Abendessen und ging früh zu Bett. Sie war ganz schön müde von dem aufregenden Tag.
Mitten in der Nacht wird sie durch furchtbares Geheul aufgeschreckt. Ihr Herz rast. Sie muss sich erst einmal orientieren, wo sie war. Langsam geht sie Richtung Fenster und zieht die Gardine zur Seite. Dahinten! Auf der Anhöhe stand ein Wolf und heulte den Mond an. Meine Güte! Hatte sie sich erschrocken ….
4. Ablenkung
Als sie nach einem späten Frühstück auf dem Balkon stand, sah sie ein kleines Auto langsam den Weg zum Cottage entlangfahren. Mit etwas Glück konnte der Fahrer ganz knapp verhindern, den Pfosten neben der Einfahrt umzufahren.
Nach einem etwas langwierigen Einparkvorgang sah sie das rote L-Zeichen neben dem Nummernschild. George?!
George.
“Guten Morgen! Ja, ich fahre noch nicht so lange Auto, wie man sieht und übe sozusagen noch ein bisschen. Aber es wird schon besser, wird es nicht!”
“Das Geheule letzte Nacht, war wirklich ein Wolf? Hier gibt es doch gar keine, nicht wahr?”
“Die Leute hier glauben, ich suche nach den Spuren der alten Ägypter. Oder den Griechen. Letztens im Pub habe ich erzählt, es gibt hier irgendwo einen versteckten Zeus-Tempel auf einer Bergspitze. Es gibt hier nicht mal Berge!”
Er lachte.
“Solange die Leute denken, ich sei ein bisschen verrückt, lassen sie mich in Ruhe hier, um mich hier und da umzuschauen. Und suchen tue ich tatsächlich was. Aber nicht was sie” — er deutete mit dem Kopf in der Gegend herum — “denken.”
“Kommen Sie mit, ich möchte Ihnen etwas zeigen!”
Sie war froh, dass er akzeptierte, dass sie ihr Auto nahmen.
5. Sternförmig
Sie fuhr nach seinen Anweisungen durch die Gegend, zum Teil sehr enge verschlungene Pfade, nah an dem Abgrund, oft ohne Beschilderung. Hoffentlich ließ er sie nachher nicht irgendwo alleine stehen, sie würde hier nie alleine zurückfinden. Unterwegs begegnete ihnen auch keine einzige Menschenseele.
George summte leise vor sich hin und schaute aus dem Fenster. Plötzlich setzte er sich aufrecht hin und schaute genauer. “Halt!” ruft George. Sie bremste erschrocken ab und hielt an. Schon sprang George ganz aufgeregt aus dem Auto. “Schau mal hier! … Komm!” rief er ihr zu. Sie stieg nun ebenfalls aus dem Auto und ging ihm nach. Goerge war schon dabei etwas einzusammeln. “Das sind Diddle Dee Beeren!! Die gibt es eigentlich nur auf den Falklandinseln, wie die hierher kommen ist mir ein Rätsel. Aber sie sind essbar und sehr lecker! Probiere mal!”
Sie probierte vorsichtig eine Beere und in der Tat, schmeckte sie ganz süß und saftig. “Er war schon ein verschrobener Kauz, dieser George”, dachte sie bei sich. “Ist es noch weit bis zu dem, was Du mir zeigen wolltest?” fragt sie ihn. “Nein, nein, wir sind gleich da.“
Sie setzten die Fahrt langsam fort. George gab weiter Anweisungen. Die Strecke wurde immer dichter bewachsen und einen Weg konnte sie nicht mehr wirklich erkennen. “Hier ist es! Den Rest müssen wir zu Fuß gehen”, sagt George. Sie stiegen wieder aus und George ging voran, er bog um eine Kurve und sie stehen plötzlich auf einer Lichtung. Sie bewunderte noch die Aussicht, doch George will ihr etwas auf der Erde zeigen. Zögerlich schaute sie nach unten und sah sofort, was er meinte. Aus der Erde schaute eine große flache Felsplatte hervor. Und auf ihr waren Ritzungen zu erkennen. Lauter Pfeile die aus einem Mittelpunkt heraus wie im Uhrzeigersinn nach außen in die verschiedenen Richtungen zeigten.
“Das ist ein erster Hinweis auf das, was ich wirklich hier suche!”, sagte George. “Hast Du eine Idee, was sie bedeuten?”, fragte er sie.
6. Weg
“Chaos! Das ist das Zeichen für Chaos!” sagte George leise. “Welche Koordinaten?”
Sie versteht nicht sofort.
“Das GPS!” Er sucht in seiner Tasche, findet aber wohl nicht, was er sucht.
Jetzt versteht sie und schaut auf ihr Mobiltelefon: Karten, Standort, markiert.
Dann fällt ein Schuss in der Nähe.
“Jäger? Schnell, wir sind zur falschen Zeit hier!” sagt George, während er schon in Richtung Auto läuft.
Sie überholt ihn, steigt links ein und merkt erst dann, dass etwas nicht stimmt.
“Keine Zeit zu diskutieren!”
Sie gibt George den Schlüssel und er rast los — jedenfalls im Verhältnis zu seinen Fahrkünsten.
Über einen holprigen Weg geht es und auf einer kleinen Brücke heben sie fast ab. Das ist nicht der Weg, den sie hergekommen sind.
Sie kommen an eine Kreuzung und mitten darauf steht eine kleine Verkehrsinsel mit einem Richtungsschild. Eine Art Mini-Kreisverkehr. Fast rammen sie die Warnbake, die sich vor dem Schild befindet, aber George kann gerade noch ausweichen.
“Wo fahren wir denn eigentlich hin?” fragt sie George.
“Genau hier ist die zweite Stelle” sagt er nur und hält an.
7. Die Versuchung
Sie stiegen beide aus dem Auto aus. Sie war froh, dass diese wilde Fahrt erstmal zu Ende war. Tief atmete sie die frische Luft ein. Sie schaute sich die Landschaft und die Umgebung an, während George schon wieder auf der Suche nach irgendetwas war und das Moos und Gras an der einen oder anderen Stelle wegkratzte. Leichter Nebel zog von hinten auf. Gerade als sie zu George aufschließen wollte hörte sie schnelles Getrappel. Kaum hatte sie die Richtung ausgemacht aus der die Geräusche kamen, raste auch schon eine Herde Wildpferde auf sie zu. Sie rief George zu, dass er zur Seite springen sollte, doch der war so vertieft, dass sie ihn schlussendlich mit einem kräftigen Ruck zur Seite ziehen musste.
Das war knapp! Um ein Haar waren sie unter Pferdehufen begraben worden. Ein bisschen zornig sagte sie: „Wo ist jetzt die Stelle, die du mir zeigen wolltest?? So langsam hatte ich genug Abenteuer und schließlich bin ich hierhergekommen, um mich wegen meines unverhofften Erbes zu kümmern.“
Als George sich wieder aufgerappelt hatte, klopfte er sich den Staub von den Hosen und bedankte sich erstmal für die Rettung von den Pferden. „Hier ist die zweite Stelle nach der ich suchte! Du scheinst mein Glücksbringer zu sein. Ich war schon so oft unterwegs und habe nie etwas entdeckt.“
Sie ging zu der Stelle auf die George zeigte. Es waren die Konturen eines eingeritzten Apfels in einem Stein zu erkennen. „Was soll das bedeuten.“, fragte sie. Erst die Stern Form aus Pfeilen und nun das.
„Du kennst doch bestimmt die Geschichte von Adam und Eva? Da steht der Apfel für die Versuchung. Und das ist auch die Bedeutung für das was ich suche!“, sagte George.
8. Hinweise
“Um das hier zu erklären, muss man sozusagen eine Zeitreise machen” sagte George. “Eine Reise zurück in die Sechziger. Wir waren damals fünf Freunde, unzertrennlich fast. Und wir hatten ein Geheimnis. Zufällig hatten wir jemanden beobachtet, wie er etwas im Wald vergraben hatte. Er kam von dem Piratenradio-Schiff, das häufiger den Hafen angelaufen hat damals. Wir waren neugierig und haben nachgeschaut. Es waren Krügerrand, Eagle und so weiter. Heute würde man vermutlich eher mit Bitcoins bezahlen!” George lachte.
“Jedenfalls haben wir die Hälfte der Münzen mitgenommen. Wir wollten sie später aufteilen, wenn niemand mehr Fragen stellen würde.”
“Also brachten wir sie in ein Schließfach und jeder hat einen Teil vom Code gewusst, aber nicht den ganzen. Später haben sie die Piratenstationen ausgehoben und der Mann ist auch nie mehr hier gesehen worden. Irgendwann wollten wir uns wieder treffen, aber dazu ist es leider nie gekommen. Also versuche ich jetzt die Hinweise zu den Codes zu finden. Nicht weil ich die Münzen oder deren Wert brauchen würde, sondern weil es die wilde Zeit von damals ein wenig zurückbringt.”
“Mein Zeichen war übrigens ein Blitz, aber den muss ich natürlich nicht suchen…”
9. Von Zeichen und Codes
“Ah, ich verstehe!”, sagte sie. “Nun hast Du quasi den Blitz, den Apfel und den pfeilförmigen Stern. Und es fehlen noch zwei, richtig?” “Genau!”, sagte George. “Ich habe ja noch eine Vermutung, wo ein weiteres Zeichen versteckt sein könnte. Hast Du noch Lust?”
“Ok, ein bisschen Zeit habe ich noch. Um 15 Uhr muss ich beim Anwalt sein.” Sie setzte sich wieder an das Steuer und wartete, dass George einstieg und ihr Anweisungen gab. Diesmal ging es eher nach unten in eine kleine Talsenke. “Der Apfel, war ein weiterer wichtiger Hinweis auf diese Gegend hier! Hier stand damals eine Art modernes Amphitheater. Da haben wir im Sommer immer ein paar kleine Theaterstücke aufgeführt. Und Adam und Eva war da auch dabei. ich bin sicher, wir finden hier ein weiteres Zeichen.”
Kaum hatte sie angehalten sprang George auch schon aus dem Auto und wuselte los. Sie kam kaum hinter ihm her. “Hier stand ungefähr die Bühne. Komm, hilf mal beim Suchen.” Gemeinsam gingen sie nun los, untersuchten jeden Stein, George kratzte Moos von einem Stein und stieß einen freudigen Jubel aus. “Ich wusste es, eine Harlekin-Mütze! Das ist das nächste Zeichen. Wir haben es!!”
“Vielleicht steht er ja für den “Joker”, war sie ein! “Oh, guter Gedanke!”, sagte George. “Darauf wäre ich nicht gekommen! Gut möglich!”
Jetzt fehlte noch ein Zeichen, um den Code zu komplettieren. Doch, was könnte das wohl sein, grübelte sie. “Jocker, Joker, Joker …..”, murmelte George vor sich hin. “Joker gibt es ja beim Kartenspielen zum Beispiel. Habt ihr denn damals Karten gespielt? Gibt es irgendein Pub, wo ihr immer gespielt habt?” fragte sie.
“Ha! Gute Idee! Ja, unser Stamm-Pub! Das ist da noch nicht draufgekommen bin, da gibt es sogar ein Hinterzimmer zum Spielen. Der ist in der nächsten Ortschaft.”
Weiter ging die Fahrt also zum Pub. Ein Ale könnte sie auch gebrauchen bei all dieser Aufregung, dachte sie bei sich, während George auf einem Zettel die vier Zeichen wild verteilt aufmalte. Schon waren sie da und gingen los. Während sie sich ein Ale an der Theke bestellte ging George unauffällig in das Hinterzimmer. Da stand er noch der Tisch an dem sie gespielt hatten. Er untersuchte das Holz ganz genau und hatte schnell gefunden, was er suchte. Ein Würfel war eingeritzt – wichtig war auch die Augenzahl: nämlich eine 1!
Nun hatte er alles beisammen: Würfel, Blitz, Stern, Apfel, Joker! Er ging zurück und bestellte sich auch ein Bier. “Jetzt müssen wir die Zeichen nur noch zu einem Code zusammensetzen, und schon können wir die Münzen finden!” “Also, ich denke, es hat etwas mit den Symbolen zu tun”, sagte sie. Der Apfel ist eher rund, so wie eine 0, der Würfel soll offensichtlich dann danach auf 1, der Blitz hat zwei Zacken, von daher würde ich ihn auf 2 setzen, die Mütze des Jokers hat drei Glöckchen, also kommt der Joker auf 3 und zum Schluss kommt der Stern mit 8. Also ist der Code 01238 oder ging es um die Anfangsbuchstaben AWBJS?
“Nun gut, George! Leider muss ich jetzt wirklich zurück, um noch rechtzeitig beim Anwalt zu sein. Soll ich Dich mit zurücknehmen? Wir werden den Code heute nicht mehr entziffern, aber vielleicht haben wir ja noch später eine Eingebung?!”
Typisch George, murmelte er vor sich hin, beachtete sie kaum, aber er kam mit ihr nach draußen.
(Grundlage waren die Storycubes von Classic, Heroes und Fantasia)